Filmgeschichte als Visual History: Digitale Zugänge zu Europas Dunklem Erbe

Die wachsende historische Distanz zum Holocaust stellt Museen und Gedächtniseinrichtungen vor neue Herausforderungen. Insbesondere digitale Umgebungen verlangen nach neuen Wegen, sich ins Verhältnis zu diesen Geschehnissen zu setzen.

Das Projekt “Visual History of the Holocaust. Rethinking Curation in the Digital Age” suchte nach Strategien, digitale kulturelle Objekte anhand von Prinzipien aus der Museumsarbeit und datenbankgestützter Narrative zu erschließen. Welche dies sind, stellt Anna Högner in ihrem Beitrag vor.

Ziel des Projekts war es, die in verschiedenen Archiven in Großbritannien, den USA und den ehemaligen Sowjetrepubliken lagernden Filme, die von alliierten Truppen während und nach der Befreiung der Konzentrationslager aufgenommen wurden, mit Kontext anzureichern und für Forscher:innen sowie eine interessierte Öffentlichkeit, aber auch in Kontexten der Vermittlung und Bildung, wie etwa Museen und Gedenkstätten, zu erschließen. Im Rahmen der Arbeit im Projekt wurden audiovisuelle Quellen zur Befreiung von Konzentrationslagern geoannotiert und mit anderen Quellen, wie Fotografien, Oral-History-Dokumenten, Publikationen, aber auch später entstandenen Darstellungen des Holocaust in Spiel- und Dokumentarfilmen, Graphic-Novels, Videospielen und Internet-Memes verknüpft.

Film kommt in diesem Zusammenhang weniger als visuelles Dokument, sondern als Träger von Zeugenschaft in den Blick: Jedes dieser Bilder wurde in einer bestimmten historischen Situation, mit einer bestimmten Intention und unter Verwendung bestimmter Technologien hergestellt und wirkt in verschiedenen Kontexten bis heute nach. Die Anreicherung mit Kontextmaterialien und die transparente Verwendung von avancierten Analysetools kann ein Weg sein, um die verschiedenen Strata historischer Evidenz offenzulegen und diese Bilder extremer Gewalt neu zu befragen.

Anna Högner, Filmgeschichte als Visual History: Digitale Zugänge zu Europas Dunklem Erbe, in: Katharina Günther, Stefan Alschner (Hg.), Sammlungsforschung im digitalen Zeitalter: Chancen, Herausforderungen und Grenzen, Göttingen 2024, 209–218.